Sonntag, 17. Januar 2010

Die erste Begegnung

Als ich eines Tages im nasskalten November mit einer Freundin durch meinen internationalen Kiez, die Freie Republik Kreuzberg, spazierte, die heutzutage voller Ausgehlokalitäten ist - sozusagen eine einzige Fußgängerzone für Touristen und sonstige Temporär-Sesshafte -, entdeckte ich in einer kleinen, fast unscheinbaren, aber dennoch lauschigen Nebenstraße das Café Johann Rose. Ich weiß immer noch nicht, warum es so heißt, aber der Name dieses Unbekannten Blumenmannes sprach mich an, wir gingen hinein und setzten uns direkt neben die Theke, ans Fenster. Es dauerte eine Weile, dann sah uns der Herr an der Bar, Christopher, wir bekamen sehr günstige Gläser Wein von Winzern in Süddeutschland. Es war dunkel und warm, die Sofas gemütlich, sofort fühlte ich mich wohl und wollte gar nicht mehr nach Hause gehen. Vor allem die Wärme überraschte mich. In Berlin sind viele Altbauten schlecht isoliert, der Wind pfeift durch die Ritzen. Hier konnte sogar die Tür eine Weile offen stehen, um ein bisschen Sauerstoff hineinzulassen, es wurde nicht kalt.

In der Zwischenzeit waren Musiker eingetroffen, der eine setzte sich ans Klavier, ein anderer stellte seinen Kontrabass auf. Wir bekamen ein Privatkonzert. Als wir bezahlten, musste ich doch etwas wissen: Warum nur fror ich hier nicht? Die Erklärung war ganz einfach. Unter dem Café befand sich der Heizungskeller für das gesamte Haus. Das nenne ich Synergieeffekte! Ja, erklärte Christopher weiter, wir machen hier Konzerte, hinten haben wir noch eine Raucherlounge, da gibts einmal die Woche Tatort, und noch weiter hinten würden wir gerne eine Galerie einrichten. Und Lesungen würden wir auch sehr gerne hier unterbringen. Wenn du Leute kennst... ?

Der mittlere Raum war über eine kleine Holztreppe zu betreten wie eine amerikanische Porch, aber so eingerichtet wie das typische, bürgerliche Wohnzimmer vor 50 Jahren: Polstergruppen, alter Plattenspieler, Fernseher in einer Kommode mit Rolljalousie, Flohmarkt-Schinken an den Wänden, Häkeldeckchen und Kerzenständer, Bibliothek. Eine Privatheit, die irgendwie vertraut, aber auch befremdlich wirkte.

Und so entstand die Idee für einen Hinterzimmer-Salon. Eine Lesereihe an einem warmen Ort, am Samstagnachmittag von Herbst bis Winter, bei Kaffee und Kuchen, der in diesem Café von einer begabten Studentin selbst gebacken wird. Die Autoren lesen aus unveröffentlichten Werken, auf verschiedensten Sprachen, sie reden über ihre Arbeitsprozesse, über ihre Einflüsse, ihre Länder, ihre Erfahrungen in der deutschen Hauptstadt. Den Salon gibt es nun in der zweiten Saison, weil das Publikum darauf drängte, dass es ihn weiter geben solle.

Aus der Galerie wurde leider nichts. Aber an selber Stelle befindet sich heute einer der wenigen Indoor-Spielplätze in Berlin. Denn an den Lese-Nachwuchs muss ja auch gedacht werden. Nikola Richter

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